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Deutsche Praxisklinikgesellschaft

„Die Expertise ist in manchen Praxiskliniken größer als in manchen Krankenhäusern“

Interview
Autor: Das Interview führte Angela Misslbeck
© änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG
 

„Praxiskliniken brauchen eine angemessene Regelvergütung“

 
Die Vergütung für ambulante Operationen ist derzeit ein Zankapfel in der Selbstverwaltung. Zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern bangen auch die ambulanten Operationszentren um ihre Zukunft. Im Interview mit dem änd macht sich die Verbandsspitze der Deutschen Praxisklinikgesellschaft für gleich lange Leitern stark.
 
Herr Dr. Söder, Herr Elmshäuser, die HNO-Ärzte haben angekündigt,dass sie keine ambulanten Mandeloperationen bei Kindern mehrdurchführen werden, weil die Vergütung abgesenkt worden ist. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
 

Elmshäuser: Für mich als Kaufmann ist das wirtschaftlich absolut verständlich nach dieser Abwertung der Leistungen. Ambulante Operateure und Praxiskliniken sind privatwirtschaftlich arbeitende Unternehmen. Sie können keine Leistung verkaufen, bei der sie selbst zuzahlen müssen. Ich denke, es ist genug Geld im System. Es müsste aber so verteilt werden, dass für alle ein zufriedenstellendes Ergebnis herauskommt.

 

 

Herr. Dr. Söder, wie sehen Sie die Ankündigung Ihrer HNO-Kollegen?
 

Söder: Das möchte ich gerne erklären und zurückkommen auf die Ankündigungen der Politik, die wir im Sommer gehört haben. Als es hieß,dass viel mehr Eingriffe auch ambulant vorgenommen werden sollen und das nach dem Prinzip „Gleiches Geldfür gleiche Leistung“, habe ich fast feuchte Augen bekommen. Ich war – nach mehr als 20 Jahren im System -so dankbar, dass es so aussah, als ob wir noch eine vernünftige Strukturreform bekommen. Jetzt bin ich schlagartig ernüchtert und habe Kopfschmerzen.

 
Weshalb?
 

Söder: Die aktuellen Pläne der Bundesregierung drängen mir den Eindruck auf, dass diese Reform, die als Revolution angekündigt wird, von oben nach unten durchgeführt wird. Die Patienten bleiben außen vor, die Niedergelassenen ebenfalls. Wir werden keine Hybrid-DRGs – also gleiches Geld für gleiche Leistung – in Anspruch nehmen können. Für die gleichen Eingriffe sollen also die Krankenhäuser 70 Prozent der DRGs erhalten, während wir sie nach dem unterfinanzierten EBM bezahlt bekommen. Da ist auch mit einerhalbherzigen Anhebung der EBM-Vergütung für bestimmte Operationen nichts gewonnen. Hinzu kommt: Wir bekommen nicht die Unterstützung für Energiekosten, IT-Sicherheit und so weiter von der Landesregierung, wie sie die Krankenhäuser erhalten und müssen dies selbst finanzieren. Wir haben keine Hygienezuschlägebekommen, obwohl man es uns versprochen hat. Wir müssen Miete, unser Personal und unsere Rechnungenzahlen. Das können wir nur, wenn wir die Leistungen, die wir erbringen auch entsprechend vergütet bekommen.

 
In einer aktuellen Umfrage des änd beklagt ein Drittel der Niedergelassenen, dass sie bei ambulantenOperationen draufzahlen. Können Sie das nachvollziehen?
 

Söder: Absolut!

Elmshäuser: Die Speerspitze dreht sich gerade wieder um. Wir müssen uns wieder erklären, warum wir Rechnungen zahlen müssen und deswegen eine faire Vergütung fordern. Diese Rechtfertigung werden Sie niemals von einem Krankenhaus hören

Söder:
Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, hat keine Ahnung, wie groß der Kostendruck auch für uns ist, wenn er uns vorwirft, dass wir nur unsere Gewinne maximieren wollen. Die Frage sollte lauten, warum warum er sich gegen einen fairen Wettbewerb stellt. Und in Richtung Politik muss ich sagen: Es kann doch kein Zufall sein, dass die Krankenhäuser mit Mitteln ausgestattet werden, um sich für die intersektorale Versorgung zu rüsten und wir, die das schon seit 25 Jahren machen, werden durch eine Abwertung der Vergütung daran gehindert. Geht es bei der Reform wirklich um Intersektorale Versorgung oder darum, alte Strukturen zu erhalten und zu schützen? Praxiskliniken könnten die Patientenversorgung verbessern, die Kassenfinanzen entlasten und ambulante Operationen ausweiten, wenn es eine entsprechende Finanzierung geben würde. Aber offensichtlich geht es bei dieser Reform nicht darum die Versorgung zu verbessern.

Sie meinen also, dass das politisch formulierte Ziel der Ambulantisierung nur ein Vorwand ist, um denKliniken neue Geschäftsfelder zu öffnen?
 

Söder: Wenn man einem eine 1,50 Meter lange Leiter gibt und dem anderen eine drei Meter lange und beide auf 2 Meter Höhe schickt, dann ist dahinter doch eine Absicht zu vermuten. Klar ist, dass andere Versorger in Nöte kommen könnten, wenn die Praxiskliniken ihre Versorgung ausweiten würden. Aber es liegen doch alle Gründe auf der Hand, die Praxiskliniken wenigstens mal anzuhören.

 
Das passiert nicht?
 

Elmshäuser: Nein, das passiert überhaupt nicht. Es gibt keinerlei Bemühungen, die Protagonisten aller Versorgungsformen an einen Tisch zu bekommen. Unsere Bemühungen diesbezüglich sind ins Leere gelaufen.Leider.

Söder: Wir machen hier in Mainz demnächst wahrscheinlich um die 7000 Eingriffe pro Jahr. In Hamburg machteine große Praxisklinik 12.000 Eingriffe pro Jahr. Mir ist einfach unverständlich, warum wir mit gleicher Qualität und gleicher struktureller Ausstattung wie die Spezialisten nicht das gleiche Geld bekommen für einen Eingriff wie die Krankenhäuser.
Der Beschluss zur Honorierung der Ambulanten Operationen vom Dezember sah in einigen Fällen eine Absenkung der Vergütung vor – nicht nur bei Mandeloperationen.
 
Wie ist dieser Beschluss in denReihen Ihrer Mitglieder angekommen?
 
Söder: Ich kann die Reaktion der HNO-Kollegen sehr gut verstehen. Auch bei den Gynäkologen, in meiner Fachgruppe, gab es deutliche Absenkungen. Wir haben ähnliche Maßnahmen diskutiert wie die HNO-Ärzte,dann aber davon abgesehen – aufgrund der politischen Wirkung. Dann heißt es wieder, die Ärzte wollen nurihre dicken Autos finanzieren. Dass wir aus den Honoraren letztlich unsere Praxen finanzieren müssen, scheint niemand zu verstehen. Leider wird mit der Verwechslung von Praxisumsatz und Arzthonorar auch medial oftmals ein falscher Eindruck über das Gehalt eines Arztes vermittelt.
 

Elmshäuser: Dabei muss man auch erwähnen, dass wir von den Krankenkassen durchaus Signale bekommen, dass sie die Anpassung unserer Vergütung unterstützen würden.

Auf Ihrer Verbands-Homepage heißt es, dass es nötig wäre – ich zitiere: „nicht mehr zeitgemäßausgerichtete Krankenhäuser mangelnder Qualität durch Praxiskliniken zu ersetzen“. Das impliziert,dass Praxiskliniken besser ausgestattet sind als viele Krankenhäuser. Wie finanzieren ihre Mitglieder das?
 
Elmshäuser: Durch wirtschaftliches Arbeiten. In unseren Praxiskliniken ist beispielsweise der Verwaltungsaufwand deutlich niedriger als in jedem Krankenhaus. Das, was wir dadurch kompensieren, stecken wir in die Weiterentwicklung, in Investitionen.
 
Söder: Ein Beispiel, wo wir effizienter arbeiten, sind zum Beispiel die Wechselzeiten im OP. Die betragen in großen Kliniken teilweise anderthalb Stunden, bei uns 15 Minuten. Wir schreiben den OP-Bericht direkt im OP, machen Verwaltung nebenher. Wir haben eine schlanke Kostenstruktur und wenig Bürokratie. Wir erleben inzwischen auch, dass Fachärzte sich vom Krankenhaus abwenden, weil sie dort unzufrieden sind, und in unsere Strukturen kommen. Die Expertise ist in manchen Praxiskliniken größer als in manchen Krankenhäusern. Einige Krankenkassen erkennen das an – etwa in Form von Integrationsverträgen nach §140aSGB V.
 

Welchen Beitrag leisten diese Verträge zur Finanzierung der Praxiskliniken?

Söder: Das sind Verträge, die in etwa so ausgelotet sind, wie die Politik die Vergütung jetzt angekündigt hat. Nachteilig ist jedoch, dass die Kassen nicht verpflichtet sind, diese Verträge einzugehen und sie jederzeit kündigen können. Außerdem sind sie nicht flächendeckend. Es gibt diese Verträge zwar in allen Regionen, aber nicht mit allen Kassen, und finanziell sind manche seit zehn Jahren nicht aufgewertet worden. Unser Problem ist, dass die Praxiskliniken zwar im Sozialgesetzbuch vorgesehen sind, nicht aber eine Regel-Vergütung für ihre Leistungen. Und diese Regel-Vergütung fordern wir nachdrücklich ein!
 
Elmshäuser: Es wäre schön, wenn wir gehört würden. Die Pläne zur Ambulantisierung betreffen unser CoreBusiness. Aber auch beim Spitzengespräch zwischen KBV, DKG und GKV-Spitzenverband sind wir nichtangehört worden. Ich würde mir wünschen, dass wir alle am Tisch sitzen und gemeinsam darüber nachdenken,wie wir die Versorgung am besten für die Patientinnen und Patienten gestalten. Wir haben mehrfach angeboten, unsere Erfahrungen einzubringen, sind damit aber leider nicht auf offene Ohren gestoßen. Für Ambulante Operationen sind wir sicherlich die Experten mit der meisten Erfahrung.
 
Söder: Die Praxiskliniken haben bereits Strukturen aufgebaut. Nun besteht die Gefahr, dass Krankenhäuser die gleichen Strukturen nochmal aufbauen und die gleichen Fehlerkurven mit hohem finanziellen Aufwand auf Kosten der Steuerzahler durchlaufen. Stattdessen könnten sie unsere Strukturen nutzen. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen sind, dann kann ein Krankenhausarzt in einer Praxisklinik operieren.Wir halten dafür eine schlanke Struktur vor und haben die Erfahrungen. Ich konzipiere jetzt gerade erneut eine Praxisklinik. Das ist kein Krankenhaus. Es ist eine ganz andere Einrichtung. Aber wir machen hier zum Teilmehr Brustkrebsoperationen als gynäkologische Abteilungen in großen Kliniken. Die Patientinnen bleiben ein bis zwei Nächte bei uns, wenn es nötig ist – unabhängig von der Vergütung. Wir arbeiten mit einer ambulanten Chemotherapie zusammen und betreuen wir inzwischen auch konservativ Patientinnen, weil Praxen einfach keine Nachfolger finden. Damit halten wir das ganze Spektrum der Versorgung vor.
 
In unserer Umfrage äußern Niedergelassene auch Pläne, weniger ambulante Operationen vorzunehmenoder sie ganz einzustellen. Beobachten Sie diese Tendenz in Ihren Mitgliedshäusern ebenfalls?
 
Söder: Einige unserer Mitgliedskliniken signalisieren schon, dass weniger Operateure kommen. Das ist einProblem für die Anästhesisten, die die Tagesklinik betreiben. Denn sie müssen ihre Infrastruktur finanzieren.Dabei sind sie in gewisser Weise abhängig von den Operateuren.

Die Praxiskliniken sind ja Teil des KV Systems.

Fühlen Sie sich denn von der KBV vertreten?

Söder: Wir sind in den Arbeitsgruppen beteiligt und werden wie die Berufsverbände angehört. Aber von dem Beschluss des Bewertungsausschusses zum Ambulanten Operieren waren wir dennoch enttäuscht. Wir haben damit gerechnet, dass die Vergütung adäquat angehoben wird. Stattdessen wurde sie abgesenkt. Solche Beschlüsse rauben den Kolleginnen und Kollegen einfach das Vertrauen ins System. Sie rechnen nur noch mitdem Schlimmsten.
 
Was wäre ihre wichtigste Forderung?
 
Söder: Gleiches Geld für gleiche Leistung. Das würden wir auch über Direktverträge mit den Krankenkassenmachen, wenn es nur endlich eine gesetzliche Abrechnungsgrundlage geben würde.

Autor: Das Interview führte Angela Misslbeck., © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG
Quelle: https://www.aend.de/article/221695

 
Zur Person

Dr. Rüdiger Söder ist Präsident der Deutschen Praxisklinikgesellschaft (PKG), die die Interessen von 35 Praxiskliniken im gesamten Bundesgebiet vertritt. Der Gynäkologe betreibt in Mainz gemeinsam mit zwei weiteren Vertragsärzten die mic.ma Schwerpunkt-Medizin für minimal invasive Chirurgie, Senologie und Onkologie. Dort kümmern sich sechs konservativ tätige
und sieben operativ tätige Ärzte um die Patienten und Patientinnen.

Zur Person
Dipl. Kfm. Stefan Elmshäuser ist Geschäftsführer der Deutschen Praxisklinikgesellschaft und
Unternehmensberater. Er berät Unternehmen in Fragen strategischer und operativer Unternehmensführung, Unternehmensorganisation, Marketing/Kommunikation und Public Relations.

 

 

Dr. Rüdiger Söder
Dipl. Kfm. Stefan Elmshäuser